Das Labyrinth der Woerter - Roman by Marie-Sabine Roger

Das Labyrinth der Woerter - Roman by Marie-Sabine Roger

Autor:Marie-Sabine Roger [Roger, Marie-Sabine]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Hoffmann und Campe Verlag
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Meine Mutter und ich, wir reden nicht viel miteinander. Wir gehen uns lieber aus dem Weg. Von Zeit zu Zeit schaue ich nach, ob die Haustür offen ist, ob Wäsche auf der Leine hängt. Aber ich muss sie nicht sehen, um zu wissen, was sie tut. Das kann ich mir vorstellen. Morgens um acht geht sie im Bademantel runter, barfuß in ihren Schlappen. Sie macht sich Kaffee ohne Zucker, isst das Brot von gestern mit gesalzener Butter und guckt dabei ihre Fernsehserie. Sie spült ihr Frühstücksgeschirr ab und geht dann wieder hoch, um sich schönzumachen. Wenn sie dann wieder runterkommt, hat sie Wimperntusche und Rouge im Gesicht und ist mit Parfum besprüht. Meine Mutter liebt Parfum. Sie benutzt immer welches, aber nicht zu viel. Es bleibt erträglich. Mich würde es stören, wenn sie ordinär daherkäme, schließlich ist sie meine Mutter. Vor dem Spiegel im Flur richtet sie sich die Haare ein bisschen und sagt: »Tja, auch nicht mehr die Jüngste«, oder: »Na, ich sehe heute vielleicht wieder aus«, und seufzt dabei. Danach geht sie einkaufen.

Sie wirkt überhaupt nicht wie dreiundsechzig, sondern älter. Das macht die Einsamkeit. Vielleicht auch die zwei Schachteln Zigaretten, die sie jeden Tag qualmt. Dabei weiß sie genau, dass Rauchen tötet, so wie es zur Sicherheit auf den Schachteln steht, die im Müll landen.

Auf dem Rückweg vom Lebensmittelladen geht es ungefähr fünfhundert Meter bergauf. Wenn sie dann zu Hause ankommt, ist sie ganz außer Atem.

Als ich klein war, habe ich manchmal zu ihr gesagt: »Mama, du sollst nicht rauchen.«

Und sie darauf: »Du machst mich krank, viel kränker als meine Zigaretten, also spar dir deine Ratschläge. Und nenn mich nicht Mama, du weißt genau, dass ich das hasse!«

»Ja, Mama.«

Sie glaubte, dass ich sie provozieren wollte. Aber ich habe es einfach nie geschafft, Jacqueline oder Jackie zu ihr zu sagen. Ich habe es versucht, aber es ging nicht. Entweder Mama oder gar nichts.

Gar nichts ging aber auch nicht.



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